Das Outing von 125 queeren Menschen, die im kirchlichen Dienst stehen oder standen und ihre inneren und äußeren Konflikte mit ihrem kirchlichen Arbeitgeber öffentlich gemacht haben, hat in der vergangenen Woche für hohe Aufmerksamkeit gesorgt und ein im Grunde schon lange bestehendes Thema neu in die Diskussion gebracht.

Dieser Schritt befreite die betroffenen Personen von dem z.T. jahrzehntelangen Druck, die eigene sexuelle Prägung und damit ein wesentliches Persönlichkeitsmerkmal zu verstecken und in vielen Fällen ein Doppelleben zu führen. Gleichzeitig ist es ein mutiger Schritt, weil sie Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Worum geht es? Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben die ihnen durch den Staat gewährte Freiheit, ihre internen Belange zusätzlich zu den staatlichen Regelungen in Eigenregie zu ordnen. Das bedeutet nicht, dass sie gegen geltendes Recht verstoßen dürfen, aber sie dürfen zusätzliche Bedingungen für einen Arbeitsplatz aufstellen. Zum Beispiel darf von einer Kita-Leitung verlangt werden, dass sie evangelisch oder katholisch ist, wenn sie als Leitung in einer konfessionellen Kita arbeiten möchte. Diese Freiheit nennt man den dritten Weg der Kirchen; er ist in der sogenannten „Grundordnung“ als Arbeitsrecht der katholischen Kirche festgeschrieben.

Nun sind die Kirchen in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber hinter dem Staat. Damit sind sehr viele Menschen von diesem spezielleren Arbeitsrecht betroffen, unter anderem eben auch Menschen, die sich selbst als queer bezeichnen, also Menschen, die ihre sexuelle und geschlechtliche Identität nicht in der allgemeinen Zuschreibung von heterosexuell und der Unterscheidung von Mann und Frau wiederfinden. Im Arbeitsrecht der katholischen Kirche gibt es nun einen Passus, bei dem darauf hingewiesen wird, dass kirchliche Mitarbeiter in ihrer Lebensführung nicht gegen die Werte der katholischen Kirche verstoßen dürfen. Dieser Passus nennt sich „Loyalitätspflicht“.

Bei den vielen queeren kirchlichen Mitarbeitern stellt sich die Frage, ob allein ihre Identität und das Eingehen einer Beziehung als Loyalitätsverletzung gesehen werden kann, die ihren Arbeitsplatz gefährdet. Das biblische Grundmodell für sexuelle Beziehungen ist die Ebenbildlichkeit des Menschen gegenüber Gott als Mann und Frau. Die Zuordnung von Mann und Frau zeigt uns laut der Bibel etwas über die Art, wie Gott selbst ist. Das Problem für die Kirche beginnt dort, wo Menschen sagen, dass sie sich nicht zum anderen, sondern zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen oder wenn Menschen sagen, dass sie sich ihrem Geschlecht nicht klar zuordnen können. Für diese Erfahrungen hat die Bibel kein Modell der Deutung parat. Deswegen war die gängige Praxis der Kirche in dieser Frage, das Ausleben der Sexualität abzulehnen. Hier versucht man mittlerweile tiefer zu verstehen, wie biblische Überzeugung und menschliche Würde im Ausleben der eigenen Sexualität zusammenpassen. Die Personen, die sich geoutet haben, verstehen sich als Geschöpfe Gottes, die so, wie sie sind, wertvoll und geliebt sind. Auch die Kirche hat in erster Linie die Berufung, allen Menschen einen Ort zu ermöglichen, sich mit ihrer eigenen Geschichte ohne Verurteilung Gott zuwenden zu können. Das gilt nach unserer Auffassung auch für all die Menschen, die bei der Kirche angestellt sind.